Nachgefragt bei Pfarrer Johannes Bardill

November 2016 / Interview: Doris Imfeld, Innovage

Wie geht es denen da oben auf dem Berg?

Per 1. November 2016 wurde der Horgner Pfarrer Johannes Bardill Pfarrer von Hirzel. Kurze Zeit zwar nur, denn per 1. Januar 2018 wird er ein Pfarrer von vieren in der erweiterten Kirchgemeinde Horgen werden – vorausgesetzt, der Zusammenschluss Horgen-Hirzel kommt zustande.

Wir wollten wissen, wie es den Mitgliedern und ihm selber im Hirzel geht.

Du warst 14 Jahre lang Pfarrer in Horgen. Was bewog Dich, im Wissen um die Möglichkeit des Zusammenschlusses, auf den Hirzel zu wechseln und wie fühlst Du Dich heute, kurz nach dem Wechsel?
Es gibt Kirchen mit Amtszeitbeschränkungen für Pfarrer, sieben oder zehn Jahre. Das hat gewisse Vorteile. Man bleibt frisch, weil man dann nicht mehr alles so machen kann, wie immer schon. Mit dem Wegzug von Pfarrer Hossbach hat sich für mich die einmalige Möglichkeit ergeben, den fälligen Wechsel zu vollziehen, ohne dass meine Familie mit mir alles, was uns hier lieb geworden ist verlassen muss. Für die kleinere Gemeinde Hirzel kann es zudem ein Vorteil sein, wenn ein gewählter Pfarrer – und nicht wechselnde Stellvertreterinnen und Stellvertreter – sie durch die Zeit des Zusammenschlusses begleitet.

Wie erlebst Du Deine neue Umgebung?
Der Hirzel ist für mich nicht das totale Neuland. Immerhin war es 14 Jahre lang meine Nachbargemeinde und einige freundschaftliche Bande sind bereits geknüpft. Bei regionalen Zusammenarbeiten, wie etwa bei den himmlischen Festtagen an Pfingsten, ist mir der Hirzel immer wieder durch gute Ideen und unkomplizierte Lösungsansätze aufgefallen. Dieser Eindruck wurde mir im Konfirmandenunterricht bestätigt, den ich seit diesem Sommer im Hirzel erteilen darf.

Begegnest Du Menschen, bei denen der bevorstehende Zusammenschluss etwas auslöst? Und wenn ja, was ist es, was die Menschen in diesem Zusammenhang bewegt?
Manchmal stelle ich Vorfreude fest. Bei den meisten stelle ich Gelassenheit fest, so im Stil: “Mal sehen. Solange es keine Probleme gibt, ist es schon recht.” Bei engagierten Leuten spüre ich aber auch eine gewisse Sorge darüber, ob das, was ihnen lieb geworden ist, in einer grossen Gemeinde noch Platz finden werde.

Bist Du viel unterwegs und liebst Du es, den Menschen in ihrer gewohnten Umgebung zu begegnen oder ziehst Du es vor, mit ihnen bei Dir im Büro ins Gespräch zu kommen?
Berufliche Begegnungen habe ich am liebsten bei den Leuten zuhause. Schön ist es auch, wenn sich auf der Strasse, am Markt oder im Laden Begegnungen ergeben. Wenn ich mit dem Velo unterwegs bin und etwas Zeit habe, liebe ich es, abzusteigen und für ein Gespräch mein Velo ein Stück weit zu schieben. Viele biblische Geschichten erzählen von Gesprächen unterwegs. Ich habe Kirche am liebsten, wenn sie sich einfach so ereignet. Wenn es nötig ist, empfange ich Leute aber auch gerne bei mir zuhause.

Welche Ziele hast Du Dir für Deine Zeit in Hirzel gesteckt? Was beschäftigt Dich derzeit vor allem?
Ich möchte daran arbeiten, dass die Kirche in der Dorfgemeinschaft eine relevante Grösse ist. Das Wort Gemeinde ist ein christliches Wort. Eine Gemeinde ist nicht nur eine Ansammlung von Häusern, die durch Grenzen, eine Verwaltung und eine Kasse zufällig miteinander verbunden sind. Eine Gemeinde ist eine Gemeinschaft von Menschen, die füreinander einstehen und eine gemeinsame Hoffnung teilen. Aus dieser Hoffnung wächst die Kraft, Neues zu wagen. Ich komme meinen Zielen im Hirzel dann näher, wenn es gelingt, dass wir uns als Gemeinde der Hoffnung auf dem Weg zum Reich Gottes verstehen und erleben dürfen.

Du bist als Pfarrer eine öffentliche Person. Wie lässt sich das mit Deinem Privatleben in Einklang bringen, was sind die grössten Herausforderungen?
Das ist eines der grossen Themen in meinem Beruf. Ich wünschte mir, das nicht trennen zu müssen. Das Wort “Privat” kommt von “privare”, was “absondern”, “trennen” oder “berauben” heisst. Es widerspricht dem biblischen Menschenbild, wenn wir andere und uns selbst in öffentliche und private Menschen zerreissen und zerreissen lassen.
Wenn ich wach bin, möchte ich für die Gemeinde ansprechbar sein und wenn es nötig ist, möchte ich sagen dürfen, dass ich jetzt keine Zeit habe. Wenn mir beim Pilze sammeln eine gute Idee für meine Arbeit kommt, freue ich mich darüber und wenn ich bei einem Seelsorgebesuch im Hofladen noch einen Karton Most kaufe, habe ich kein schlechtes Gewissen, weil ich Privates und Öffentliches vermische.
Allerdings weiss ich, dass auch mein Tag nur 24 Stunden hat und dass ich mir in meiner Arbeit hin und wieder Grenzen setzen muss. Ich möchte sie aber auf beide Seiten hin durchlässig machen.

Was ist das Beste daran, Pfarrer von Hirzel zu sein?
Die Menschen vom Hirzel. Das gilt übrigens auch für Horgen. Es ist schön zu wissen, dass eine Gemeinde mir den Auftrag gibt, mit meiner vollen Arbeitskraft dafür einzustehen, dass in ihrer Mitte das Evangelium verkündet wird. Die Kirchgemeinde sagt mir ja gewissermassen: “Johannes, wir geben dir Zeit und stellen dich frei, damit du uns zu allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten in Erinnerung rufst, dass wir zur weltweiten Gemeinschaft des Gottesvolks gehören und dass wir in Freud und Leid gewiss sein dürfen: Gott verlässt uns nicht.”

Wie verkraftet Deine Familie den Wechsel nach Hirzel?
Da wir vorläufig noch in Horgen wohnen, gibt es wenig zu verkraften. Meine beiden Söhne wohnen bereits in eigenen Wohnungen im Horgenberg, also nahe am Hirzel.

Dein Traum?
Mein Traum für die Kirche Hirzel ist, dass sie immer wieder neu ein lebendiger Ort der Begegnung wird, wo Menschen in ihrem Glauben gestärkt werden, neue Hoffnung schöpfen und die erfahrene Liebe Gottes als Nächstenliebe in ihren Alltag und in die Welt hinaustragen. Ein Traum ist auch, dass sich das vierhundertjährige Kirchenhaus bei Gottesdiensten immer wieder mal füllt.

Johannes, ich bedanke mich ganz herzlich für dieses lebendige Gespräch, und ich glaube, dass Dein Traum in Erfüllung gehen wird, denn Du lebst Nächstenliebe.

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